Zeitfahren für Anfänger
Gestern Abend haben Jens und ich uns an ein Paar-Zeitfahren gewagt. Wir sehen uns beide nicht gerade als besonders gute Zeitfahrer, noch waren die Bedingugen einfach, aber es ging dabei ja auch gar nicht um sportliche Höchstleistung.
Pünktlich zwei Stunden vor dem Start fing es an zu regnen, das “freundliche Weiß” der Wolken wandelte sich langsam aber sicher in ein dunkles Grau, der Wind wurde stärker und stärker.
Kurz noch zur Tankstelle, um uns mit einem Schokoriegel zu stärker und wir waren so gut wie ready to race.
Wir fuhren zum Start mitten auf ein Militärgelände, wo das Rennen zwischen den Übungseinrichtungen der Bundeswehr stattfand. Breite Straßen, guter Asphalt, langgezogene Kurven, helle Beleuchtung. Nur wenig Platz zum Unterstellen. Ich quetschte mich mit meiner Rolle zwischen eine Lagerhalle und Militärfahrzeuge, wo ich wenigstens trocken blieb.
Wir starteten als erstes Team. Wir rauschten durch den Regen, dass Wasser spritze in hohem Bogen zur Seite und dem Hintermann ins Gesicht. Eigentlich wollen wir minütlich die Führung wechseln, aber keiner konnte mehr die Anzeige seiner Geräte erkennen; wir fuhren von Anfang an nach Gefühl. Selbst die Kurven musste der Vordermann anzeigen, denn zumindest ich sah in der hinteren Position überhaupt nichts mehr. Das Wasser lief über das Gesicht; ich hatte den Mund aufgerissen um besser atmen zu können, was aber nur dazu führt, dass ich mich fast verschluckte.
Die Kulisse war ebenso merkwürdig wie stimmig. Die riesigen, leeren Straßen auf den wir mit Vollgas dahinrauschten, die dunkelgrünen Militäranlagen im grellen Flutlicht, der strömende Regen und die dunklen Wolken, die massiven, leistungsstarken Fahrzeuge und unsere extreme Anstrengung.
Unsere Zusammenarbeit funktionierte perfekt und ich genoss es, so schnell zu fahren. Wir wechselte intuitiv die Führung, flogen dahin, meisterten die Kurven immer besser und hatten trotz allem eine Menge Spaß.
Daten-Spaß: was wir wirklich gemacht haben
Nächsten Morgen sitze ich im Büro, mein Handy plingt. “Sind wir wirklich das gleiche Rennen gefahren?” Anbei waren Screenshots unserer Leistungsverteilung. Die wollen wir euch natürlich nicht vorenthalten.
Links seht ihr meine Daten, die Verteilung der Zeit auf die Intensitätszonen und darunter die Power-Duration-Kurve; rechts sind die Daten von Jens.
Kurz gesagt: ja, wir sind das gleiche Rennen gefahren. Dafür, dass wir gut zusammengearbeitet haben spricht nicht nur unser Gefühl, sondern auch, dass wir einen sehr ähnlichen Intensitäts-Faktor haben, sprich uns im Verhältnis zu unser Schwellenleistung gleichermaßen angestrengt haben. Komischerweise sieht die Verteilung der Zeit in den Intensitätszonen nicht so aus.
Klein und schwer hinter groß und dünn
Ich bin deutlich kleiner und profitiere so in der hinteren Position viel mehr vom Windschatten. Selbst wenn der große Vordermann in Zone 5 fährt, fahre ich dort in Zone 2 oder 3, je nach Windverhältnis. Andersrum haben wir festgestellt, dass mein Windschatten nicht erlaubt, sich hinten zu “entspannen” und mehr Leistung als im Ausdauer- / Tempobereich getreten werden muss. Das erklärt zumindest die Unterschiede in den Zonen 2 und 3.
Während ich gerade aus einer Pause komme, ist mein Partner in Fast-Top-Form. Die Cross-Saison steht kurz bevor; er ist gut trainiert und intensive Belastungen gewohnt. Das erklärt, warum er in der Lage ist, wesentlich länger überhalb der Schwelle zu fahren bzw. längere Zeit in Zone 4 und 5 zu verbringen als ich.
Nicht zuletzt sind wir ohnehin anderer Fahrertypen. Sieht an sich unsere Herzfrequenzen an, fällt auf, dass meine deutlich höher ist. Man mag sagen, dass es normal ist, weil ich jünger und weiblich bin, doch eigentlich neige ich zu einem eher geringen Puls und im Training zeigen wir ein wesentlich ähnlicheres Pulsverhalten.
In Einklang dazu steht auch die unterschiedliche Trittfrequenz. Während ich mit einer durchschnittlichen Cadenz von 100 U/min gefahren bin, fordere ich mein Herz-Kreislauf-System wesentlich stärker. Bei niedriger Frequenz ist die Kontraktionsgeschwindigkeit der Muskeln eine geringere, dafür muss bei jedem Zyklus ein höherer Widerstand überwunden werden, was stärker den lokalen Muskelstoffwechsel belastet.
Unterm Strich leisten wir aber in Relation zu unserem Körpergewicht und unserer Leistungsschwelle fast das gleiche. Ich würde sagen, dass haben wir als Nicht-Zeitfahrer ziemlich gut hinbekommen, und selbst wenn nicht, wir hatten Spaß!