Training Stress Score

"Ich muss wirklich in der Lage sein, die Trainingsdosis genauer als 2 x 20 Minuten Intervalle mit FTP zu quantifizieren. Ich brauchte einen Wert."
Das sagte Hunter Allen zu Dr. Andrew Coggan und das Ergebnis seiner Überlegungen war der Training Stress Score (TSS).

Training Stress Score ©

Der Training Stress Score (TSS) soll als Maß für die Größe des Trainingsreizes dienen. Je höher der Wert, desto größer ist der Stress, dem der Körper ausgesetzt wird. Trainingseinheiten mit einem hohen Score bedeuten einen höheren Trainingsreiz, kurzfristig einen höheren Bedarf an Regeneration und langfristig eine größere Steigerung der Fitness.

Geschichte des TSS

Der Wunsch, die Trainingsbelastung zu quantifizieren, gab es aber schon viel früher. Bannister leistete seiner Zeit wichtige Arbeit, indem er den TRIMP entwickelte, auf dessen Idee auch der TSS zurückgeht. TRIMP ist die Abkürzung von ‚training impulses‘ und versucht eben den Trainingsreiz zu „messen“. 

1980 waren die Messmethoden und Möglichkeiten natürlich noch andere und die Methode der Wahl zur Quantifizierung von Intensität war die Herzfrequenz.

Der Score basiert auf dem Anstieg der Herzfrequenz, der schrittweise gewichtet wird, und der Trainingsdauer. Das ganze ist eine ziemlich komplizierte Formel, aber darum soll es hier ja gar nicht gehen.

Berechnung des TSS

Der TSS berechnet sich nach dem gleichen Prinzip wie der TRIMP: aus der Intensität und der Trainingsdauer.

Die Intensität kann dabei nicht nur durch die Herzfrequenz, sondern auch durch die Leistung oder das Tempo, bestimmt werden. Dazu braucht es einen Referenzwert.

Dieser Referenzwert ist die Functional Threshold Power (FTP), – Pace (FTPa) oder – Heartrate (FTHr). Die entspricht einem Intensitätsfaktor (IF) von 1,0. Man nimmt nun an, dass man diese Leistung, dieses Tempo bzw. Diese Herzfrequenz maximal eine Stunde lang aufrecht erhalten kann und ordnet dem den TSS 100 zu.

Kurz: IF: 1,0 x Dauer: 1h ≙ 100 TSS

Je nachdem wie intensiv und wie lang du trainierst ergibt sich der TSS, wobei die Intensitäten wie schon beim TRIMP schrittweise gewichtet werden. Die Zeit oberhalb der Schwelle fließt mit einem höheren Faktor in die Berechnung ein, als die Zeit unterhalb der Schwelle, wobei die Intensitätsbereiche noch weiter unterteilt werden.

Dr. Andrew Coggan stellt außerdem eine Verbindung zum Energieverbrauch, explizit zum Glykogenverbrauch her. Der TSS kann als Schätzung der Menge des verbrauchten Glykogens betrachtet werden und korreliert dadurch auch mit dem Regenerationsbedarf.

Trainingseinheiten und die gefühlte Anstrengung

Grundsätzlich gilt: Je härter die Einheit ist, desto höher der TSS. Härter meint aber nicht zwangsläufig intensiver. 

Ein höherer TSS als 100 kann eigentlich nur erreicht werden, wenn die Trainingseinheit länger dauert als 1 Stunde. Umgekehrt kann der IF nur größer als 1,0 sein, wenn die Einheit kürzer ist als eine Stunde. Alles andere sagt dir eigentlich, dass dein FTP-Wert nicht aktuell ist (oder du nicht exakt dem Modellathleten entsprichst, der seine FTP genau eine Stunde halten kann, was auch durchaus möglich ist). 

Dadurch, dass sich der TSS in Relation zur individuellen Schwelle berechnet, fühlt sich eine Trainingseinheit mit 100 TSS theoretisch für jeden Athleten gleich an, unabhängig seines Niveaus. 

Andererseits kann aber ein gut trainierter Athlet eine höhere Belastung aushalten, also ist in der Lage, pro Trainingseinheit, pro Woche oder pro Trainingsblock eine höhere TSS-Summe zu erreichen. Zum einen, weil sie fitter sind, zum anderen, weil sie mehr Anstrengung und im Extremfall Schmerzen ertragen können, wie Studien zeigen. 

Trainingsempfehlung

Wie hoch der TSS einer Trainingseinheit im „Idealfall“ sein soll, lässt sich nicht pauschal sagen.

Grundsätzlich ist der theoretisch “perfekte” Wert der Einheit abhängig von drei Faktoren: dem Ziel der Einheit, der Kombination mit anderen Einheiten und deinem Fitnesstand.

Ziel der Trainingseinheit
Jede Trainingseinheit sollte ein Ziel haben und einen möglichst hohen TSS zu erreichen ist eher kein effektives Ziel. Auch eine Einheit mit wenig TSS kann für dein Training einen hohen Nutzen haben! Vielleicht ist das Ziel der Einheit, aktiv zu regenerieren, deine Technik zu verbessern oder es liegt im obersten Intensitätsbereich. Sprint-Workouts sind zwar kurzzeitig extrem intensiv, aber da die Zeit in diesen Bereichen so kurz ist und von langen Regenerationsphasen gefolgt ist, ist der TSS meistens relativ niedrig im Vergleich zur gefühlten Anstrengung.
Kombination mit anderen Einheiten und Regeneration

Je höher der TSS der Trainingseinheit, desto länger brauchst du für die Regeneration. Wann die nächste Einheit folgt, wie deine Woche und der gesamte Trainingsblock geplant ist, entscheidet, wie viel Zeit zur Regeneration zur Verfügung steht.  Ein hoher TSS in einer Einheit oder in direkt aufeinander folgenden ohne adäquate Zeit zur Erholung, ist nicht förderlich. 

Ich persönlich versuche Einheiten mit einem extrem hohen TSS zu meiden. Der Nutzen einer einzelnen, harten Trainingseinheit steht für mich in der Regel nicht im Verhältnis zur überdurchschnittlich hohen Regenerationszeit, dem Risiko von Überlastungen und ähnlichem. Aus meiner Sicht ist konsistentes, regelmäßiges Training wichtiger.

Fitnessstand

Je fitter du bist, desto höher kann der TSS sein, den du in einer Einheit erreichen kannst. In manchen Fällen muss er sogar höher sein als zu einer Zeit als du weniger fit warst, damit es überhaupt ein wirksamer Trainingsreiz ist.

Auch wie du bisher trainiert hast, beeinflusst, wie hoch der TSS ist, den du “verkraftest”. Bist du hohe Trainingsumfänge im niedrigen Intensitätsbereich gewohnt und machst zum ersten Mal ein kurzes, hochintensives Training, wird es dich mehr belasten, als der Score vermuten lässt. 

Zusammenfassung

Es gibt zwar einige Empfehlungen, nach denen man sich richten kann, aber letztendlich muss die Frage in der Trainingsplanung nach dem TSS gestellt werden, sondern nach dem Ziel. Der Training Stress Score ist ein Wert, der dir helfen soll, deine Trainingsbelastung zu quantifizieren, Trainingseinheiten miteinander zu vergleichen, einen langfristigen Trend festzustellen oder deinen Regenerationsbedarf abzuschätzen. Das ganze ist ein Modell und spiegelt nicht die Realität wieder, genau so wenig, wie du exakt dem Durchschnittsathleten entsprichst.

Verstehe mich nicht falsch, der TSS ist ein großartiges Hilfsmittel, nicht mehr, nicht weniger. 

Studies

Sandersa D, Heijboer M,  Hesselink MKC, Myers T, Akubat I: Analysing a cycling grand tour: Can we monitor fatigue with intensity or load ratios? J Sports Science. 2018; 36(12):1385-1391.

Cejuela R, Esteve-Lanao J. Training load quantification in triathlon. J of Human Sport and Exercise. 2011; 6(2):218-232

Weitere Informationen
Josephine Noack
Josephine Noack
Headcoach von noack sport support und Sportwissenschaftlerin. Cross-Triathletin mit Vorliebe fürs Radrennen fahren, egal ob MTB-Marathon, Crits auf der Straße oder eCycling für Beastmode p/b Rose.

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